Einer ist da, der hört

Andacht zum 18. März 2020 von Pfarrer Albrecht Lindemann / Zerbst

Die Andacht zum Hören

Ein Besuch – schön wäre das. Aber zur Zeit ist es keine gute Idee. Sie war in ihrem Leben nie einer Gruppe zuzuordnen, jetzt schon: Sie gehört zu den Risikopatienten. Da ist das Alter und nun auch noch die Krankheit –jeder Besuch kann zur Gefährdung werden. Bisher traf man sich sonntags im Gottesdienst. Auch das geht in diesen Wochen nicht, abgesagt. Das gab es nie in ihrem langen Leben. Nur ganz selten hat sie einen Gottesdienst verpasst. Es tut so gut, wenn man mit den anderen gemeinsam singen und beten kann. Der Weg zum Altar war in letzter Zeit weit geworden. Aber das Abendmahl hat ihr Kraft gegeben Die Gemeinschaft fehlt, gerade jetzt, wo die Sorgen mit jedem Tag größer werden.

Es ist Sonntag, 10 Uhr, die Glocken läuten, als wäre alles wie immer. Sie nimmt ihre Bibel und liest ihren Lieblingspsalm: Der Herr ist mein Hirte … vertraute Worte, Erinnerungen an gute und schwere Tage sind darin geborgen. Zur Konfirmation konnten ihn alle auswendig. Ob die Konfirmanden in diesem Jahr fröhlich feiern werden? Wieder ertönt eine Glocke – und sie weiß: Dieser Ton ruft zum Gebet. Und sie weiß: in der Stadt werden viele diese Glocke hören und vielleicht wie sie innehalten und beten: Vater unser im Himmel… Wie gut das tut, ein Gebet in Gemeinschaft! Die Großmutter hatte es gelehrt, auch daran muss sie jetzt denken und an ihre Freundin. Sie wird sie gleich anrufen. Auch das wird gut tun.

Die Glocken klingen, aber sie klingen anders als sonst, denn sie weiß Menschen, die sie lieb hat, um die sie sich sorgt und sie hofft, dass auch jemand an sie denkt. Am Abend werden die Glocken wieder läuten. Sie wird wieder ein Gebet sprechen. Und sie wird wissen: Ich bin nicht allein. da sind andere, die beten mit mir. Und einer ist da, der hört. Der lässt keinen einsam sein, weder Nacht noch Tag.