Heiligung oder „No risk, no fun“
„Befreit von der Sünde und in den Dienst Gottes gestellt, habt ihr die Frucht, die Heiligung schafft, und als Ziel ewiges Leben.“ (Römerbrief 6,22)
Andacht zur Tageslosung von Pfarrer Martin Günther, Dessau-Roßlau
Im 6. Kapitel des Briefes an die Römer schreibt der Apostel Paulus: „Befreit von der Sünde und in den Dienst Gottes gestellt, habt ihr die Frucht, die Heiligung schafft, und als Ziel ewiges Leben.“. Mit diesem Satz fasst Paulus seine Glaubenserkenntnis in einem Bibelvers, wie in einer Formel, zusammen; Das entspricht dem, wie Albert Einstein seine physikalische Erkenntnis in einer Formel zusammenfasst: E=mc2. Ist man kein Physiker oder hat von physikalischen Zusammenhängen wenig Kenntnis, dann liest man die Formel Einsteins, die aussagt, dass sich Energie und Masse ineinander umwandeln können, und fragt sich: E=mc2? Ja schön, aber was soll ich damit, nach dem Motto „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Keineswegs kann es weg, denn wegen der Umwandlung von Masse in Energie strahlt unsere Sonne und ermöglicht Leben. Auf dem Hintergrund dieses Vergleiches fragen wir nun Paulus: Was sagt und was nützt uns deine Formel? Gemäß der antiken Überzeugung, in der Paulus zu Hause ist, kann nur der Geist Gottes Gott erkennen. Und der Mensch erkennt Gott und damit sich selbst, sofern er Gottes Geist empfängt. Nun, nach Martin Luthers Katechismus wächst mein Einssein mit mir selbst, also mein seelisches Wohlbefinden, nicht durch die Kraft meiner vernünftigen Erkenntnisse, sondern durch das Geschenk des Heiligen Geistes.
Das seelische Wohlbefinden, nach dem wir Menschen streben, also die süße „Frucht“ unseres Daseins nennt Paulus in seiner Formel „Heiligung“. Dieses Wort ist verbunden mit dem Heiligen Geist; mit der Ausbreitung des Heiligen Geistes wird die Grenze von Gott und Mensch überschritten. Wie aber kann ich den Heiligen Geist empfangen? Neben Taufe und Abendmahl, durch mein Vertrauen in das Leben. Auch solches Vertrauen kann ich nicht durch intellektuelle Anstrengung gewinnen, sondern ich muss mir Vertrauen, wie der Neutestamentler Hans Weder in brillianter Weise dargelegt hat, im Leben „zuspielen lassen“. „Zuspielen lassen, so wie ein Witz, mir zugespielt, mich zum Lachen bringt, wie Musik, mir zugespielt, mich zum Tanz bewegt“:
Dafür brauche ich Mut – einerseits der Welt und Menschen offenherzig zu begegnen und Mut andererseits die Ohnmacht meines Daseins anzuerkennen. Das Ergebnis solchen Mutes ist Lebensfreude. Oder, wie der Engländer sagt: „No risk, no fun“ – „Ohne Risiko, keine Freude“. Paulus selbst hat sich ständig Risiken ausgesetzt und genau dadurch seine „Heiligung“, die süße „Frucht“ eines seelischen Wohlbefindens, geerntet. Möge auch uns weiterhin „Heiligung“ widerfahren.
P.S. In Coronazeiten aber ohne Risiko
Amen.