Leben in Achtsamkeit und Sorge
Andacht von Diakon Veit Kuhr, Wörbzig
Liebe Hörerinnen und Hörer,
vielleicht ist diese zweifelsohne, besondere Zeit, eine Chance einmal darüber nachzudenken, wie wir, in welcher Gesellschaft eigentlich leben wollen und ob wir nach der Corona Krise so weiter machen wollen wie bisher? Wie steht es um die gerade vom Produktionsprozess Ausgeschlossenen, aus ihrer sicherlich nachvollziehbaren Existenzangst heraus?
Erfolg, Wachstum, Stärke, Hedonismus, Durchsetzungskraft, Ellenbogenmentalität, Spektakel und Entertainment, werden sie weiter Charakteristika unseres gegenwärtigen Seins sein? Oder werden uns vermehrt Sorge und Achtsamkeit, zärtliches Mitgefühl und Liebe in der Politik, Kirche, Gesellschaft und im alltäglichen Miteinander begegnen? Wird es mir selbst besser gelingen dazu beizutragen?
Zweifel machen sich bei mir breit … Aufmerksamkeit dem anderen Menschen gegenüber wird oft als Schwäche angesehen und scheint nur als angenehmes Beiwerk akzeptiert, solange es zur Leistungsgesellschaft und dem eigenen Wohlstand nicht konträr ist. In Wirklichkeit ist sie aber das ethische Fundament des Menschen, auf das alles andere aufzubauen hat. Ohne Achtsamkeit und Sorge wäre jede Zukunft, so verheißungsvoll sie auch sein mag, nichts als eine Illusion.
Jesus von Nazareth ist neben Siddhartha Gautama, genannt Buddha, jene religiöse Person, die am deutlichsten die Daseinsweise von Sorge und Achtsamkeit zu erahnen gibt. Besonders wandte sich Jesus den Armen und Hungrigen, den Diskriminierten und Kranken zu. Er hatte Mitgefühl mit ihnen und einige Menschen heilte er. Unerhört für die damalige Zeit, dass er auch einige Frauen als Jüngerinnen um sich scharte (v. Luk 8, 2-3). Zärtliche Zuneigung verband ihn mit seinen Freundinnen Maria und Martha (Luk 10, 38-42). Und selbst den Anzeichen einer erotischen Liebe zu einer öffentlichen Sünderin, die ihn küsste und salbte, entzog er sich nicht. (Luk 7, 36-50).
Barmherzigkeit machte Jesus zum Schlüssel seiner gepredigten Ethik und praktizierte sie selbst vorangehend. Noch am Kreuz, wendet sich Jesus den mit ihm gekreuzigten Räubern zu, und er trägt Sorge um seine Mutter, die er in die Obhut seines Lieblingsjüngers gibt. Jesus war ein Mensch voller Achtsamkeit und Sorge. Das Leben in seiner Ganzheit lag ihm am Herzen. Ihm nachzufolgen, heißt eben auch ganz konkret zu handeln, in achtsamer Sorge um unsere Kinder und Alten, in achtsamer Sorge um Geflüchtete und Entrechtete, in achtsamer Sorge um die Entrückten und Einsamen, in achtsamer Sorge um eine zukunftsfähige, solidarische und gerechte Gesellschaft, in achtsamer Sorge um unseren Planeten mit all seinen faszinierenden Lebensformen, in achtsamer Sorge um unsere Träume und unsere Seelen.
Ohne besorgte Achtsamkeit wäre der Mensch unmenschlich und würde verkümmern. Was wir brauchen, ist die zärtliche Revolution unserer Herzen, die das Leben wieder liebenswerter macht! Jeder Mensch kann als Teil der Gesellschaft diese verändern und so Mitgestalter einer Revolution der Liebe sein. Heilen, handeln und kämpfen sie mit, in Achtsamkeit und Sorge! In diesem Sinne wünsche ich allen Hörern einen schönen Tag!