Ohrwurm Gottes
Andacht von Pfarrerin Karoline Simmering / Regionalpfarramt Roßlau-Weiden
Letztens machte ich in der Mittagssonne einen Spaziergang; da fiel mir ein kleines blühendes Bäumchen auf. Ich trat näher. Zarte weiß-rosa Blüten streckten sich der Sonne entgegen. Es duftete nach Frühling, nach neu erwachendem Leben.
Ich dachte mir: dieses Bäumchen mit seinen wunderbaren Blüten weiß nichts vom Corona –Virus; es weiß nichts von den Schrecknissen, die gerade in unserer Welt geschehen; es weiß nichts von den Sorgen, die sich viele Menschen machen.
Es steht da und blüht – gegen alle Widrigkeiten und gegen alles Leid.
Kraftvoll. Hoffnungsfroh.
Und mir fielen Worte aus einem Lied ein, welches mich seitdem begleitet: „Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt, das bleibe uns ein Fingerzeig, wie das Leben siegt.“
Ein tröstlicher Gedanke.
Wie ein Ohrwurm klingt dieses Lied in mir, immer wieder spreche ich leise die Worte vor mich hin.
Unsere Welt – sie hat sich verändert.
Und wir – wir müssen uns verändern. Unseren Lebensrhythmus. Unser Verhalten. Mit täglich neuen Regelungen, mit vielen Einschränkungen müssen wir nun zurechtkommen. Wir tun, was wir nun tun müssen. Zum Wohle aller. Und ich bin mir sicher: Wir werden noch weiteres verändern müssen. Weltweit. Lebenshaltungen… Wertesysteme… Zum Wohle aller.
Unser Inneres, unsere Seele aber, sie fragt nach dem, was Bestand hat. Sie sucht nach dem, was trostreich ist und was uns aufrichtet in allen Widrigkeiten und Veränderungen. Wieder fällt mir mein Ohrwurm ein … das, was in mir spricht und klingt: Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt…
Und mir fällt ein, dass es in unserer christlichen Tradition die Ruminatio gibt: mit diesem Begriff wird die Meditation eines biblischen Wortes oder auch eines Liedes bezeichnet. Damit ist der Vorgang des „Wiederkäuens“ gemeint. So wie eine Kuh das einmal gefressene Gras wieder und wieder kaut, wird ein geistliches Wort im Herzen „gekaut“. Es wird sozusagen ein „Ohrwurm“ für unsere Seele…
Vielleicht versuchen Sie es heute einmal damit.
Trotz des Wissens um Leid und Unruhe in der Welt und im wachen Bewusstsein der Sorge um Menschen: Nehmen Sie sich ein Wort aus Ihrem Konfirmationspsalm oder eine Zeile aus Ihrem Lieblingslied – oder das Bekenntnis: „Gott ist größer als unser Herz“ oder die Bitte: „Christus, erbarme dich“ und bewegen, „kauen“ es in Ihrem Herzen. Immer wieder.
Ich bin gewiss: Sie werden innerlich gestärkt werden. Weil nämlich Gott durch diese Herzensbewegung trostreich zu Ihnen sprechen wird. Kraftvoll. Hoffnungsfroh.
Lassen Sie sich überraschen, welchen „Ohrwurm“ Gott Ihnen schenken wird. Als Fingerzeig, wie das Leben siegt.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Tag. Amen.