Wahrheit und Propaganda
Paulus schreibt: In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben. 2. Korinther 6,4.10
Andacht von Pfarrer Andreas Karras / Görzig
Das Gegenteil von Propaganda ist Wahrheit. Wir alle machen über die Medien täglich aufs Neue unsere Erfahrungen mit Propaganda. Allen voran überschüttet der amerikanische Präsident die Welt mit Propaganda-Parolen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise: Z.B.: „Wir werden phantastische Kundgebungen haben. Es läuft sehr gut. Und wir machen einen tollen Job mit dem Virus.“
Die zur Coronavirus-Krise befragten Fachleute wurden zu Beginn der Krise als nahezu unfehlbar in ihren Einschätzungen und Empfehlungen zur Überwindung der Krise gehandelt. Je mehr aber von ihnen mit ihren Statements in die Öffentlichkeit dringen, desto mehr widersprechen sie sich. Die Coronavirus-Krise erzeugt eine vielfältige Propaganda. Die Politik ist darum mit der komplizierten Frage konfrontiert, welchen Wahrheitswert sie welchen Empfehlungen beimessen kann, um sich ihrerseits keinem Propagandaverdacht auszusetzen.
Wenn wir den heutigen Lehrtext zur Tageslosung bedenken, dann könnten die Worte des Apostels Paulus zunächst auch als Propaganda missverstanden werden. Paulus wäre der Schöpfer christlicher Propaganda, die den Zweck verfolgte, menschliches Leid und Armut guten Mutes als gottgewollt hinzunehmen. Er schreibt im 6. Kapitel des 2. Korintherbriefes (2. Kor 6,4.10): In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten, … als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Wir wissen von Paulus, er wurde gefoltert, geprügelt, erlitt einige Male Schiffbruch, war auf beschwerlichen Wanderungen in Hunger und Kälte unterwegs und kam mehrfach fast zu Tode. Der Mann, der eigentlich eine glänzende Karriere hätte vor sich haben können, nimmt ein äußerst entbehrungsreiches und gefahrvolles Leben auf sich, um die ihm von Gott aufgetragene Botschaft der bedingungslosen Annahme des sündigen Menschen durch Gott der Welt zu verkünden. Diese beinhaltet, das Entscheidende im Verhältnis des Menschen zu Gott, ist nicht ein ethisch angemessenes Verhalten, sondern der Glaube an Gott, der die Menschheit durch Jesus Christus mit sich versöhnt. Dieser Glaube schenkt eine unerschütterliche und eindeutige Erkenntnis der menschlichen Situation in Zeit und Ewigkeit. Ist er von Gott gewirkt, wird er in der Liebe zum Nächsten tätig.
Dass Paulus in seinem gefahrvollen Leben nicht verzagt, hat seinen Grund darin, sich von Gott beauftragt zu wissen. Und darum haben wir es in der heutigen Tageslosung mit Wahrheit und nicht mit Propaganda zu tun. Vor seinem Hintergrund, der Kreuzigung und Auferstehung Jesu, will uns Paulus zu einem nüchternen Leben hinsichtlich aller zeitlichen Wechsel ermutigen.
Um nicht irre an immer neuen Einschätzungen der gegenwärtigen Krise und ihrer Überwindung zu werden, ist auch heute die Verinnerlichung von Karfreitag und Ostern als einem Geschehen für uns von grundsätzlicher Bedeutung. Dann können wir die gegenwärtigen Bedrängnisse, Nöte und Ängste mit großer Geduld bestehen.